Mit Diabetes in einer Liebesbeziehung leben: Ein Q&A mit meinem Partner

Die Diabetes-Community geht weit über Menschen mit Diabetes hinaus. Viele von euch da draußen sind Eltern, LebenspartnerInnen, BetreuerInnen, Geschwister, UnterstützerInnen, …

Manche von euch folgen vielleicht bereits unserer Podder™ Sophie (@thefaultypancreas) und wissen, dass sie dieses Jahr ihren Partner Andrew heiraten wird.

Andrew hat sich etwas Zeit genommen, um ein paar Fragen von Sophie zu beantworten. Er beschreibt wie das Leben mit Typ-1-Diabetes aus seiner Sicht ist und bietet einen Einblick, wie Diabetes eine Liebesbeziehung beeinflussen kann - von gemeinsamen Herausforderungen bis hin zu Möglichkeiten, wie man durch den Umgang mit Diabetes eine Beziehung noch stärker machen kann.

Sophie: Wie wirkt sich die Gefahr, dass es zu schwerwiegenden gesundheitlichen Komplikationen kommen kann auf dich/die Beziehung aus?

Andrew: Seit Beginn unserer Beziehung bist du mit dem Thema schwerwiegende gesundheitliche Komplikationen ziemlich offen umgegangen. Ich sehe meine Aufgabe darin, dich dabei zu unterstützen, die zahlreichen Probleme, die zu schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen durch Typ-1-Diabetes führen können, zu durchdenken und zu besprechen - insbesondere Dinge wie Familienplanung; zu wissen und vorbereitet zu sein, was in Notfallsituationen zu tun ist und die Wichtigkeit regelmäßiger Augen- und Fußuntersuchungen zu verstehen.

Sophie: Wie wirkt sich der tägliche Umgang mit Diabetes auf dich/die Beziehung aus?

Andrew: Als ich dich kennengelernt habe, hattest du bereits vor einem Jahr deine Diagnose erhalten, deshalb kenne ich dich nicht ohne Diabetes. Es ist also völlig normal für mich und als Partner einer Typ-1-Diabetikerin habe ich natürlich den leichten Job - du machst die ganze Arbeit. Du musst mit all den Nadeln, Zahlen und ständigen Erinnerungen an eine defekte Bauchspeicheldrüse zurechtkommen. Ich versuche einfach, dich auf jede erdenkliche Weise zu unterstützen, entweder physisch, indem ich dir beim Anbringen und Entfernen des Pods helfe, oder emotional, indem ich für dich da bin, wenn die Höhen und Tiefen dich wirklich herunterziehen.

Sophie: Was hat dir am besten geholfen meinen Diabetes zu verstehen?

Andrew: Ich muss zugeben, dass ich bevor ich dich kennengelernt habe, keine Ahnung hatte, was Typ-1-Diabetes genau bedeutet - wie viele andere nahm ich an, dass man einfach nur ein paar Injektionen durchführen muss. Ich wusste nicht welche anderen ‚versteckten‘ Faktoren zum Umgang mit dieser chronischen Erkrankung dazugehören. Im Laufe der Jahre habe ich viele Fragen gestellt und versucht deine Situation besser zu verstehen. Ich habe meine eigenen Recherchen durchgeführt und mit dir zusammen Kurse zum Zählen von Kohlenhydraten besucht, sodass ich dich in jedem Aspekt deines Lebens unterstützen kann. Es hört sich wie ein Klischee an, aber ich lerne immer noch jeden Tag dazu.

Sophie: Was hat am besten geklappt, wenn es darum geht deinen Frust oder den Schmerz, den du wegen meines Diabetes fühlst, zu kommunizieren?

Andrew: Indem ich die Bedenken all der Situationen, in die wir durch Diabetes geraten, herunterspiele … Dadurch kann ich, wenn ich frustriert bin, sagen was ich denke, ohne dich zu verärgern, z.B. wenn wir unterwegs sind und ewig weit laufen müssen, um dir Zucker zu besorgen! Oder immer dann, als wir tagsüber unterwegs waren und Lust hatten Mittagessen zu gehen, aber nicht konnten, weil du deine Insulinpens vergessen hattest (zum Glück kommt das seit dem du auf das Omnipod DASH ®System umgestiegen bist nicht mehr vor!) Den größten Schmerz, den ich wegen deines Diabetes gefühlt habe, war als du mir das eine Mal angeboten hattest mir den Einstich am eigenen Finger zu demonstrieren …

Sophie: Welche Formen der Unterstützung haben dir beim Umgang mit meinem Diabetes am meisten geholfen?

Andrew: Ich habe jetzt genug Erfahrung, um zu wissen, wann du einen ‚schlechten Diabetes-Tag‘ hast, eine schlaflose Nacht hattest, hohe und niedrige Werte … Ich erkenne es, wenn du einfach nur eine Umarmung brauchst. Manchmal kann es so einfach sein - nur eine Umarmung und zu wissen, dass du mit jemanden, der bereit ist dir zuzuhören, reden kannst. Indirekt kann es sogar genauso hilfreich sein, einen Kaffee trinken zu gehen und nicht darüber zu reden. Es geht darum ein Gespür dafür zu bekommen deine Stimmung richtig einschätzen zu können und z.B. wie du in den letzten 24 Stunden zurechtgekommen bist. Es gibt ein riesengroßes Online-Supportnetzwerk für Menschen mit Diabetes und ihre Partner. Ich sehe, wie es Familien dabei hilft sich nicht alleine zu fühlen und dass es andere Menschen gibt, die mit genau denselben Problemen zu kämpfen haben.

Sophie: Wie findest du Zeit für Spontaneität, Spaß und Romantik, wenn du mit einem Menschen mit Typ 1 Diabetes eine Beziehung hast?

Andrew: Ich denke nicht, dass Diabetes daran irgendetwas ändert. Natürlich muss man manchmal etwas mehr planen und vorausschauend denken, aber normalerweise machen wir immer das Beste aus den Gelegenheiten für Spontaneität, Spaß und Romantik.

Sophie: Wie findest du die Balance mich einerseits bei meinem Diabetes zu unterstützen und mich andererseits nicht komplett zu kontrollieren?

Andrew: Ich habe dich nie bevormundet, weil mir im Vergleich zu dir das dafür nötige Wissen fehlt.   Meine Aufgabe dir direkt bei deinem Diabetes zu helfen besteht zum Beispiel darin Kohlenhydrate in den von mir gekochten Mahlzeiten zu berechnen, damit du weißt, was du dir als Bolus geben musst.

Sophie: Welche Tipps hast du für den Umgang mit emotionalen Herausforderungen, die entstehen können, wenn man eine Beziehung mit einem Menschen mit Typ 1 Diabetes hat?

Andrew: Rede mit deinem Partner - sie sind die Experten. Und je mehr man ihre Situation und wie sich diese auf sie auswirkt versteht, desto mehr kann man sie unterstützen und desto besser können sie mit der Krankheit umgehen.

Außerdem sollte man geduldig und einfühlsam sein. Es gibt Situationen, die für jemanden ohne Diabetes normal sind, einem Menschen mit Typ 1 Diabetes jedoch eine Menge Sorgen und Ängste bereiten können. Ich weiß, dass es Menschen mit Diabetes schwerer fällt, mit bestimmten Situationen umzugehen, wenn man unterwegs ist, z.B. wenn man mit Freunden etwas trinken geht. Für mich und unsere Freunde ist es nur ein Kater, aber für Diabetiker bedeutet es eine schlaflose Nacht, weil der Alkohol die Blutzuckerwerte beeinflußt und der nächste Tag ist voller Höhen und Tiefen und frustrierend, weil die Werte völlig aus dem Ruder laufen.

Sophie: Welche Tipps hast du für den Umgang mit Problemen bei körperlicher Nähe, die bei einer Beziehung mit einem Menschen mit Diabetes auftreten können

Andrew: Da sie technische Hilfsmittel am Körper tragen (Pumpe und Sensor), nehme ich an, dass Menschen mit Diabetes in Bezug auf körperliche Nähe wegen Ihrer Krankheit gehemmt sind, also ist es wahrscheinlich das Beste, keine große Sache daraus zu machen. Egal wie positiv die Absichten sind, ist es nicht hilfreich für ihren Partner, wenn man in einem der seltenen Momente, in denen er/sie die Krankheit einfach vergessen kann, die Aufmerksamkeit auf die Krankheit lenkt.

Sophie: Hast du irgendwelche Tipps oder Tricks wie man sich in Momenten, in denen der Partner einen niedrigen Blutzucker hat, verhalten sollte?

Andrew: Du wirst wahrscheinlich selbst sofort zugeben, dass du sehr launisch sein kannst, wenn dein Blutzucker niedrig ist. Ich frage dich oft, wann du zum letzten Mal deinen Blutzucker überprüft hast, woraufhin du meistens nachschaust und in 9 von 10 Fällen ist genau das dann der Grund! Es ist also wichtig, dass man zu Hause immer einen Vorrat an zuckerhaltigen Snacks/Getränken hat und sonst versucht ihnen zu widerstehen, denn sie sind ideal dafür eine Hypo zu behandeln.

      

 

Ein weiterer wichtiger Tipp ist es, wenn der Partner einen Sensor hat, auf die verschiedenen Alarme zu achten, die bei Über- oder Unterzuckerung ausgelöst werden. Sie können dabei helfen herauszufinden, was man als nächstes tun muss. Bei mir ist das dann oft der Punkt, an dem ich Zucker für dich hole, weil ich weiß, dass du dann ein bisschen verwirrt sein wirst. 

 

 

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